DSP-Anwendung: Entzerrung einer Mehrwegebox
In normalen Wohnräumen kann man eine Box nicht in einer Messung inkl. ihres Bassanteils messen. Deshalb kombiniert man Nahfeldmessungen des Bassanteils mit Fernfeldmessungen. Die Messungen führe ich mit ARTA durch.
Hier ist es wichtig, das Mikrofon möglichst nahe am Baßreflexrohr zu positionieren ohne das es in den Kanal eintaucht. Ich halte dazu eine Scheckkarte vor den Kanal und stelle das Mikro so auf, daß es diese geradeso einklemmt. Danach entferne ich die Karte und messe. Bemerkenswert ist der Peak bei 1 KHz. Warum wohl baue ich den Baßreflexkanal bei Zweiwegeboxen immer in die Rückwand ein? ;-)
Hier ist es wichtig, das Mikrofon möglichst nahe an der Membrane zu positionieren. Aus dieser Messung kann man sehr schön die Baßreflex-Abstimmfrequenz des Gehäuses ablesen. Diese befindet sich in Position der Senke - siehe die gelbe senkrechte Linie bei 53 Hz.
Hierbei wird das Mikrofon einen Meter von der Box entfernt aufgestellt. Diese steht idealerweise auf einem Drehteller, so daß die Messung unter verschiedenen Winkeln erfolgen kann. Gemessen wird mit einem gefensterten MLS-Signal, was eine quasi-Freifeldmessung ohne Raumeinflüsse ergibt. Das klappt natürlich im Bass, abhängig vom Abstand der Box zum nächsten reflektierenden Objekt (Boden, Decke, Wände, Möbel, etc.), nur bis zu einer gewissen unteren Grenzfrequenz. Im zweiten Bild unten sieht man die erste Reflektion rechts von der senkrechten roten Linie.
Im nächsten Bild gibt die gelbe Linie im unteren Teil des Diagramms den Frequenzbereich an, für den diese Messung aufgrund des durch die Fensterung ausgeblendeten Frequenzbereichs nicht valide ist.
Die Vorgehensweise kann man sich (mühsam) aus den ARTA-Handbüchern anlesen oder der sehr guten Anleitung von Alexander Gresler entnehmen. Ich zeige hier nur das Ergebnis.
Wie man oben unschwer erkennen kann ist die Box nicht gerade ein Bassmonster, woher auch bei einem 13-er Bass? Etwas "bässer" darf es dann aber doch sein. Für mehr Tiefbass bin ich bereit einige Dezibel Maximalpegel zu opfern.
Zunächst importiere ich den zusammengesetzten Frequenzgang in die hifiakademie-DSP-Software.
Jetzt setze ich einen überschwingenden Hochpass. Dieser entlastet die Box von (ganz) tiefen Tönen, die der kleine Treiber sowieso nicht kann und sorgt gleichzeitig für mehr Pegel im hörbaren Bassbereich.
Ein Höhenregler (highshelf) senkt den Bereich über 79 Hz um 2,2 dB ab.
Durch diese beiden Maßnahmen habe ich die untere Grenzfrequenz (-3 dB) der Box von 84 Hz auf 49 Hz gesenkt. Die erreichbare Maximallautstärke der Box verringert sich um etwa 8 dB, wovon knappe 6 dB der Pegelanhebung des Basses und 2,2 dB der Pegelabsenkung ab 79 Hz geschuldet sind. Ganz so schlimm ist es aber nicht. Weil der Hochpass die Box von ganz tiefen Frequenzen entlastet verträgt diese etwas mehr Leistung als ohne Entzerrung. Mehr als 95 dB sollten durchaus noch im Rahmen des Möglichen liegen.
Wenn man nicht so tief entzerrt bleibt mehr Maximalpegel übrig. Man kann das ganz nach seinen individuellen Anforderungen gestalten. Manche DSPs bieten auch die Möglichkeit der Speicherung von mehreren Presets, zwischen denen man per Fernbedienung umschalten kann. Mit zwei verschiedenen Einstellungen kann man so zwischen tiefem Bass und weniger Bass mit dafür höherem Maximalpegel umschalten.
Jetzt begradige ich noch etwas den Frequenzgang, widerstehe aber der Versuchung, jeden kleinen Schlenker im Frequenzgang ausgleichen zu wollen.
Betrachtet man die Senke um die 3 KHz könnte man in Versuchung kommen diese aufzufüllen. Sieht man sich nochmals das nicht normalisierte Sonogramm der unkorrigierten Box an,
dann stellt man fest, daß der Konstrukteur der Box (Daniel Kiefer aus Heidelberg) ein "alter Fuchs" ist! Normalerweise haben Boxen mit dieser Schallwandbreite bei 3 KHz eine Aufweitung, d.h. unter Winkeln einen höheren Pegel als bei tieferen und höheren Frequenzen. Diese Box hat das nicht, demnach hat der Konstrukteur die Senke mit Bedacht eingebaut. Würde ich die Box im Nahfeld auf dem Schreibtisch hören wollen, dann würde ich die Senke herausnehmen. Da diese aber wieder ins Wohnzimmer soll bleibt die Senke drin.
Weiterhin könnte man die Senke um die 9 KHz herum mit einem Equalizer auffüllen. Betrachtet man die Messungen der Box ohne DSP, dann sieht man, daß die Senke ab der 30 Grad-Messung nicht mehr vorhanden ist. Eine Korrektur wäre zuviel des Guten, deshalb lasse ich auch diese drin.
Mit nur vier Filtern habe ich die Box von Grund auf verändert,
aber grau ist alle Theorie, deshalb geht es jetzt ans Nachmessen.
Die untere Grenzfrequenz (-3 dB) liegt jetzt bei 49 Hz. Das jeweils linke Diagramm zeigt die Messung mit der DSP-Entzerrung und das rechte etwas kleinere den Ausgangszustand.
Im wesentlichen habe ich durch die DSP-Entzerrung den Charakter der Box beibehalten, aber unter Verzicht auf etwas Maximallautstärke für einen tieferen Bass und "runderen" Klang gesorgt. Ich bin zufrieden!